Nachdem das Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium im vergangenen Schuljahr 2022/23 mit dem Gewinn des Landessiegertitels in Bayern in der Wettkampfklasse 3 (Jahrgang 2009 und jünger) bereits einen Riesenerfolg feiern durfte, wurden wir als Vertreter Bayerns zum Deutschen Schulkletterfinale in Gießen eingeladen.
Hochmotiviert und glücklicherweise ungebremst durch einen Lokführerstreik trat die 6-köpfige Schulmannschaft, betreut von der Jugendleiterin Manou Gareis und dem Stützpunktleiter Manfred Mauler, bereits am Vortag die lange Anfahrt mit der Deutschen Bahn nach Gießen an. Nach einer Übernachtung und einem kräftigenden Frühstück stieg die Nervosität, Spannung und Vorfreude auf den Wettkampf an. Auch wenn alleine schon die Qualifikation ein großer Erfolg war, so rechnete wir uns realistische Chancen auf einen Platz auf dem Siegerpodest aus.
Vergleichbar mit den Wettkämpfen in Bayern durfte auch hier jede(r) teilnehmende Schüler(in) in einem Dreikampf alle Disziplinen von Bouldern, Seilklettern bis Speedklettern innerhalb von ca. 4 Stunden durchlaufen, was sowohl aus physischer, aber auch psychischer Sicht die Kinder und Jugendlichen forderte und eine große Bewegungsintensität gewährleistete.
Unsere Mannschaft, bestehend aus Judith Eisermann, Noah Dierfeld, Sebastian Gräfe, Valentin Kühn, Fritz Daxlberger und Thomas Kaufmann startete nach einem gemeinsamen Aufwärmen mit dem Bouldern. In diesem Parcours waren 5 Bewegungsaufgaben geschraubt, die koordinative und Bewegungsgefühl abverlangende technische Lösungen abverlangten. Aber ohne Finger-, Arm- und Schulterkraft sowie Corepower wäre man in den stark überhängenden Wandabschnitten dem Top nicht nähergekommen. Unser Team sammelte in der Mannschaftswertung mit 14 von möglichen 20 Tops jede Menge Punkte, was in der Boulderwertung der 4. Platz bedeutete – ein guter Start in den Wettkampf.
In der anschließenden Disziplin Lead waren zwei Routen im Vorstieg am Seil zu klettern. Die leichtere von beiden Touren führte durch eine überhängende Wand mit vielen eher runderen aber relativ guten Griffen und athletischen Bewegungen, bei denen auch mal beide Füße spektakulär aus der Wand pendelten. Mit der maximal möglichen Anzahl an Tops stellte diese für uns keine Hürde da. Die zweite Route hingegen war sehr technisch – viele kleine Tritte und Griffe in nur leicht überhängenden Wandabschnitten, oft so geschraubt, dass man nur durch gute technische Fertigkeiten verhindern konnte, dass einen die Drehkräfte aus der Wand werfen. Insgesamt gab es in dieser Route im Schwierigkeitsgrad 8+/9- nur 4 Top-Begehungen, wobei eine davon von Fritz Daxlberger auf das Wertungskonto des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums ging. Mit einer sehr guten, ausgeglichenen Mannschaftsleistung konnte sich unser Team im Lead den zweiten Platz sichern.
In der letzten Disziplin Speed galt es nun nochmal die letzten Schnellkräfte und Konzentration zu mobilisieren, um in zwei Versuchen möglichst schnell einen Wandabschnitt von gut 10m Höhe hinauf zu spurten bis zum Anschlag an einen Buzzer. Thomas Kaufmann meisterte dies mit Tagesbestzeit von unter 7 Sekunden mit Bravour. Aber auch die anderen Mannschaftmitglieder ließen sich nicht viel mehr Zeit, sodass die Speedwertung mit Platz 1 an das SFG ging.
Bei der mit Spannung erwarteten Siegerehrung wurden die Mannschaften rückwärts zu ihrer Platzierung aufgerufen. Wir durften sehr lange warten bis nur noch zwei Mannschaften ungenannt waren. In der Gesamtauswertung aller drei Disziplinen landete unser Team letztlich auf dem hervorragenden zweiten Platz, geschlagen einzig vom Heinrich-Heine-Gymnasium, der Eliteschule des Sports aus Kaiserslautern / Rheinland-Pfalz. Die anfänglich kleine Enttäuschung, dass es „nur“ der 2. Platz war und nur wenige Griffe weiter in einer Leadroute oder ein Top mehr beim Bouldern zum Titel des Deutschen Meisters gereicht hätte, wich schnell der Freude und Begeisterung über die phantastische Leistung, die wir hier gegen sehr starke deutschlandweite Konkurrenz zeigen konnten.
Nachdem die Energie- und Flüssigkeitsspeicher mit Pizza und Saftschorlen wieder aufgefüllt waren, war die Motivation und Bewegungsfreude weiterhin ungezügelt. So wurden noch jeder Menge Boulder und Routen, auch der älteren Wettkampfklasse probiert und geschafft, sowie den lokalen Schraubern beim Setzen neuer Bewegungsprobleme im Boulderraum geholfen. Nach einer sehr kurzen Nacht in der Turnhalle mit anschließendem Frühstück und einer langen Zugfahrt kam wir mit unseren beiden Betreuern müde und erschöpft, aber glücklich mit dem Vizetitel und jeder Menge Trainingsmotivation für das neue Wettkampfjahr im Gepäck wieder in Rosenheim an.
Auch in Anbetracht dieses insgesamt sehr gelungenen, harmonischen Schulwettkampfes ist die Tatsache nicht nachvollziehbar, dass die Sportart Klettern trotz der Aufnahme in die olympischen Sportarten und der sehr hohen Attraktivität in der insbesondere jungen Bevölkerung noch nicht als offizielle Sportart bei „Jugend trainiert für Olympia“ akzeptiert ist. Dies hat zur Folge, dass ein Wettkampf auf deutscher Ebene ohne finanzielle Zuschüsse und mit viel ehrenamtlichen Engagement sowie finanziellen und ideellen Einsatz der beteiligten Schulen und Lehrkräfte durchgeführt werden muss. An dieser Stelle geht ein herzlicher Dank an die Sparkassenstiftung Rosenheim und der Alpenvereinssektion Rosenheim, ohne deren finanzieller Unterstützung eine Teilnahme und damit auch dieser Erfolg unserer Schulmannschaft erst gar nicht möglich gewesen wäre.
In der Hoffnung, dass sich auch bis auf die entscheidenden Stellen herumspricht, wie pädagogisch wertvoll das Sportklettern auf Schulebene ist, werden wir weiter werben für diese attraktive Sportart, auch mit prägenden Eindrücken und bleibenden Erinnerungen von Schule mal anders:
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Gemeinschaftliches Tüfteln im Team in unmöglichen aussehenden Bewegungsproblemen und Anfeuern bis zum Top
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Coole knifflige Boulder und „kinderfreundliche“ Kletterrouten bis in den 9. Schwierigkeitsgrad
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Auch nach dem 4-stündigen Wettkampf hieß das Motivationsmotto „Klettern so lang die Finger noch greifen“
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Abendliches Schnellpraktikum beim Chefroutenschrauber der Halle für Unermüdliche
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Chaotisches Cool-Down in der Schlafturnhalle mit jeglicher Art von Spiel- und Wurfgeräten
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Mathe- und Bewegungsrätsel standen in harter Konkurrenz und Fußball ist halt doch kein Klettern
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„I numeri sono numeri“ - Schwierigkeitsgrade sind halt doch nur Zahlen
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Macht Handy süchtiger als Klettern? Nach diesem Wettkampf wohl nicht mehr...
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Und es ist echt schön, dass Rosenheim nicht Frankfurt ist und ein Lokführerstreik uns nicht aufhalten konnte!